150 Jahre Kurstadt Gmunden: Und keiner spricht davon
Am 17. Mai 1862, also vor genau 150 Jahren, wurde Gmunden offiziell „Kurstadt“. 100 Jahre später wurde dieses „Jubiläum“ noch „groß gefeiert“, auf Veranlassung der „Kurkommission“ erschien damals ein spannendes, noch immer lesenswertes Buch: „Gmunden. Kurstadt am Traunsee“. Auch zum 125jährigen „Jubiläum“ erschien ein Buch („125 Jahre Kurstadt Gmunden“).
Heuer wird dieses „Jubiläum“ totgeschwiegen, niemand spricht davon, niemand schreibt darüber. Überraschend ist dies freilich nicht. Von der „Kurstadt Gmunden“ – als „Marke“ – ist nicht viel übrig geblieben. Frühere Bürgermeister waren stets auch „Vorsitzende der Kurkommission“, auf dem Briefpapier des gegenwärtigen Amtsinhabers glänzt das Attribut „Bürgermeister der Keramikstadt Gmunden“. Ob diese identitäre Zuschreibung mit der Wahrnehmung der BürgerInnen und Gäste korrespondiert will ich nicht beurteilen.
Wie auch immer: Der Status Gmundens als „blühende Kur- und Fremdenverkehrsstadt“, so Altbürgermeister Karl Piringer in seinem vom Pathos jener Jahre eingefärbten Vorwort im besagten Buch aus dem Jahre 1962, ist so nicht mehr gegeben. Es fehlen Hotelbetriebe (ja, der Plural ist berechtigt), die Seilbahn steht still, wir haben (noch) kein Hallenbad, internationale Kongresse bleiben aufgrund fehlender Hotels fern.
In diesem Zusammenhang darf ich darauf verweisen, dass heuer auch das Toscana Congress „Geburtstag“ feiert.
Im Jahre 1982, also vor 30 Jahren, wurde das Kongresshaus Gmunden an einem der schönsten „Flecken“ Oberösterreichs eröffnet. Leider wurde es in der Folge verabsäumt, in unmittelbarer Nähe ein Hotel zu errichten. Sollte die Errichtung (und Finanzierung!) eines Hallenbades in Nachbarschaft zum Strandbad in naher Zukunft tatsächlich möglich sein, müssen alle Kräfte gebündelt werden, damit hier auch ein Hotelbetrieb angesiedelt werden kann.
Ich denke, dass vor dieser Folie ein gedrängter Rückblick in das 19. Jahrhundert, mithin in die „Gründerzeit“ unserer Stadt, erhellend und vielleicht auch ein wenig spannend sein könnte. Im Jahre 1827, die Krone des habsburgischen Kaiserreiches trug Franz I., wurden bereits Pläne für eine Straße von Gmunden nach Ebensee gewälzt, auch wurden in diesem Jahr Anträge zum Bau einer Eisenbahnstrecke von Linz in die Traunseestadt eingereicht. „Die erste kontinentaleuropäische Bahn wurde als Pferdeeisenbahn zwischen Gmunden und dem böhmischen Gebiet projektiert; dem Teilstück von Budweis bis Linz (1831) folgte schon 1836 der Anschluß der Bahnlinie nach Gmunden (Elfriede Prillinger).“
Drei Jahre später wurde die Traunsee-Schifffahrt aus der Taufe gehoben, der See konnte mit einem Dampfschiff überquert werden, ggf. auch mit dem Reisewagen. In der Folge wurde der landschaftliche Reiz Gmundens von Reisenden „entdeckt“. Eine rege Bautätigkeit (so entstanden mehrere Villen) attraktivierte die Stadt für zahlungskräftige Gäste. Der anschwellende „Fremdenverkehr“ und Möglichkeiten eines Kurbetriebes wurde von einer weitblickenden Gemeindepolitik erkannt und begrüßt, zumal die wirtschaftspolitische Relevanz des Salzhandels, der Gmunden so lange Zeit geprägt und erheblichen Wohlstand beschert hatte, hinweggeschmolzen war.
Versuche in den 1820er Jahren, Gmunden zur „Kurstadt“ zu adeln, was durchaus möglich gewesen war, scheiterten zunächst. Bereits 1821 hatte Franz von Wolff, der diesbezüglich im Salzkammergut der „Pionier“ war, Versuche mit Solebändern angestellt und deren Bedeutung bzw. Heilwirkung erkannt. Die erste Badeanstalt in Gmunden war freilich nicht viel mehr als ein Pilotenbau an der Traunbrücke.
Als „Verhinderer“ dieser frühen und zukunftsträchtigen Erschließung erwiesen sich Teile des so genannten Gmundner Bürgertums, deren ablehnende Haltung weiterführende Schritte zunächst zu verhindern verstand. Die Gemeindeverwaltung ließ nicht locker: „Systematisch wurden Mauern und Stadtürme geschleift, die Vorstädte ausgebaut und die Anlage der weltberühmten Esplanade als kostspielige und komplizierte Anschüttung des Seegrundes in einem Zeitraum von etwa zehn Jahren zuwege gebracht. Das berühmteste Hotel der Stadt, das ‚Goldene Schiff’, vergrößerte sich, wurde modernisiert und erlebte in seinen Räumen die Anwesenheit der interessantesten historischen Persönlichkeiten vom steirischen Erzherzog Johann bis zum Herzog von Reichstadt (Sohn Napoleons und der Tochter des Kaisers, Anm. C. D.), von Hans Kudlich (Reichstagsabgeordneter und ‚Bauernbefreier’, Anm. C. D.), Nikolaus Lenau, Franz Schubert bis zu allen jemals in Gmunden erschienen gekrönten Häuptern – und das waren nicht wenige“ (Prillinger). Anfang der 1860er Jahre schlug schließlich die große Stunde des erst 1860 in Gmunden ansässig gewordenen Arztes Dr. Christian Feuerstein. Er hatte den „Stadtvätern“ vorgeschlagen, eine Kuranstalt und errichten und professionell zu betreiben.
Am 17. 1862 wurde die Traunseestadt offiziell zur Kurstadt erklärt, wenige Monate später, Mitte Juli, wurde ein neues Badehaus eröffnet. Das „Gmunder Wochenblatt“ berichtete damals: „Heute wurde das von Herrn Medicinal Doctor C. Feuerstein an der Esplanade erbaute Cur- und Badehaus eröffnet, welches schon hinsichtlich seiner äußeren Erscheinung als eine neue Zierde von Gmunden zu nennen ist …
Zur Feier der Eröffnung dieses Curhauses wurde der Abend mit weithin in den Gebirgen widerhallenden donnernden Pöllerschüssen begrüßt … ein Feuerwerk zum Schluss gewährleistete eine angenehme Abwechslung. Viele Nachen und bewimpelte Boote kreuzten auf dem ruhigen Spiegel des Traunsees und eine zahllose Masse von fremden Gästen und Einheimischen durchwogte die Esplanade, so dass man hätte glauben mögen, sich auf dem Boulevard einer Hauptstadt zu befinden.“
1872 schließlich kam es zum Bau des Stadttheaters, 1873/74 wurde das „Hotel Austria“, vor allem für die Kurgäste, errichtet. Ein Yachtclub, ein Tennisclub und ein Trabrennplatz wurden errichtet. Neben und nach der Kuranstalt von Doktor Feuerstein (im späteren Hotel „Bellevue, wo heute die Bezirkshauptmannschaft untergebracht ist) entstanden auch in anderen Hotels Kuranstalten. 1898 öffnete die Kuranstalt „Sanatorium“ ihre Pforten, in welchem die Gäste über ein geheiztes Hallenbad verfügen konnten.
Bäder am See hatte es schon zuvor gegeben, seit 1851 das See-Schwimmbad an der Esplanade, dann das Freibad in Weyer. 1927 schließlich, die Schrecken und Schwierigkeiten des großen Weltkrieges, für dessen Ausbruch die verantwortlichen Politiker der Monarchie, allen voran der greise Kaiser Franz Joseph, maßgeblich mit-verantwortlich waren, waren vergessen, konnte das Gmundner „Naturstrandbad“, welches als „größtes Seebad nördlich der Alpen“ gepriesen wurde, eröffnet werden. Lassen wir wieder die ehemalige Direktorin des „Kammerhof-Museums“, Elfriede Prillinger, zu Wort kommen. „Die auch in diesen Jahrzehnten noch erscheinenden Kurlisten zeigen, dass auch damals das Vergnügungsangebot noch weit gestreut war: Nachmittagstanz und Tombola im Kurhaus, Nachtfeste, Blumenkorsi, Theater. Auch in diesen Jahren glänzte die Gmundner Theaterbühne mit großen Wiener Schauspielernamen: Alma Seidler, Hansi Niese, Rudolf Forster – und die beliebten Stars der Operettenwelt wie Ralf Benatzky, Emmerich Kalman, Franz Léhar, um nur einige zu nennen, belebten die kulturelle Szene.“
Zu Gast in Gmunden waren damals auch intellektuelle „Größen“ wie Peter Altenberg oder Karl Kraus, namhafte Maler und begnadete Musiker. Der erste „Großschriftsteller“, der Gmunden für sich „entdeckt“ hatte und sich hier auch ein kleines Haus kaufte, war Friedrich Hebbel. 1855 war seine Frau in unserer Stadt, in welche sich der Dichter sofort „verliebt“ hatte, Kurgast.
Eine anderer „Großer“, der oftmals bei seinem Freund Victor von Miller zu Aichholz zu Gast war, war Johannes Brahms (das Museum besitzt eine auch im internationalen Vergleich anspruchsvolle Brahms-Sammlung).
Auch nach dem Zweiten Weltkrieg sorgten einige wenige innovative Unternehmer dafür, dass der Status Gmundens als Kurstadt nicht gänzlich verloren ging. So wurde 1953 in der Kößlmühlgasse von der Familie Pichler eine kleine Heilbadeanstalt mit Kneippmöglichkeit, Sauna und Kosmetik-„Abteilung“ errichtet, knapp 20 Jahre später konnte eine neue Kneippkuranstalt eröffnet werden. Ein Journalist schrieb damals „von der bahnbrechenden Tat einer Gmundner Familie, die sich als Schrittmacher für die Wiedereinführung des Kurgebrauches in der alten Kurstadt am Traunsee bewährt hatte“. In den letzten Jahrzehnten bemühte sich Gmunden, zu einer neuen „Identität“ zu finden, vieles konnte erreicht werden, vieles wurde freilich auch versäumt. Noch sind wir auf der Suche, die vielen „gebrochenen Identitäten“ zusammenzuführen, noch ist es nicht gelungen, einige ganz wenige „Schwerpunkte“ aus dem Streinbruch mehrerer Optionen zu brechen, um im nationalen wie internationalen Wettbewerb dauerhaft und nachhaltig erfolgreich unseren unverwechselbaren Platz zu finden. „Kurstadt“ sind wir jedenfalls nicht mehr, die Genesis zur „Filmstadt“ endete mit der 163. Folge von „Schlosshotel Orth“, wir sind ein bisserl „Keramikstadt“ (mit zu wenig Geld und einem Manko an politischem Wollen, daraus mehr zu machen), ein bisserl „Kongreßstadt“ (mit zu wenigen Kongressen, weil große und anspruchsvolle Hotels fehlen). Das – wohl zurecht – „totgeschwiegene Jubiläum“ 150 Jahre Kurstadt Gmunden dokumentiert aber auch, was noch fehlt, abseits infrastruktureller Schwächen und Versäumnisse: Optimismus, Mut und die Lust, phantasievoll zu gestalten! Die „Rahmenbedingen“ freilich stellen uns als moderne Phäaken auf die Bühne einer noch zu erlernenden „Ermöglichungskunst“, denn nach wie vor gilt, was der britische König Eduard VII. sagte, als er 1881 in Gmunden weilte: „Ich habe auf meinen weiten Reisen eine Menge schöner und reizender Gegenden gesehen, aber nicht viele schönere Punkte als Gmunden!“